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Neuer Verpackungsmüll-Rekord und strengere Richtlinien aus Brüssel: Viele Hersteller und Händler arbeiten mit Hochdruck an nachhaltigeren Verpackungskonzepten. Was derzeit dabei im Fokus steht.
Angesichts immer massiverer Forderungen nach mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit von Seiten des Gesetzgebers und der Umweltorganisationen geraten Hersteller und Verpackungsindustrie zunehmend unter Druck, nachhaltigere Verpackungskonzepte zu entwickeln. Nachfüllstationen für Wasch- und Reinigungsmittel, SB-Käse und Spirituosen in der Papier/Kartonverpackung, die kundeneigene Kunststoffbox für den Einkauf an der Fleisch- und Wursttheke, Papier- statt Kunststoffbeutel für das TK-Fertiggericht, mehr Glas-Mehrweg statt Einwegverpackungen aus PET: Kunden im Lebensmittelhandel bieten sich inzwischen immer mehr Alternativen, über den Kauf solcher Produkte einen Beitrag zur Vermeidung von Verpackungsmüll und zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag zu leisten.
5-Punkte-Plan zur Reduktion von Verpackungen
«In der von der EU erlassenen Abfallrahmenrichtlinie sowie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz steht die Vermeidung von Verpackung ganz oben in der Hierarchie der Massnahmen, gefolgt von der Vorbereitung zur Wiederverwendung, erst dann dem Recycling, der Verwertung und zum Schluss der Beseitigung», heisst es seitens der AGU Beratungsgesellschaft für Umwelt- und Qualitätsmanagement mbH. Derzeit laufen unterschiedliche Projekte im Handel, die dieser 5-Punkte-Hierarchie folgen, beispielsweise durch sogenannte Unverpacktstationen in Bereichen wie Körperpflege, WPR, Trockensortimente (siehe Info-Kasten) oder alternativen Konzepten an den Frischfleischtheken. Markant Partner tegut beispielsweise testet in einigen Märkten den Abverkauf über Kunststoffboxen/-dosen. Die Verbraucher bringen sie – wie früher bei Tante Emma – von zu Hause mit und lassen sie vom Personal befüllen. Voraussetzung hierfür ist ein durchdachtes HACCP-System und dessen konsequente Umsetzung. Es gebe anerkannte Leitlinien zur Guten Verfahrenspraxis, die auf die betrieblichen Voraussetzungen, die Aspekte der Risikoanalyse und die erforderlichen Massnahmen beim Umgang mit kundeneigenen Behältnissen eingehen, bestätigt die AGU. Bei tegut kommt das Thekenpersonal mit den Behältnissen der Kunden gar nicht direkt in Kontakt, denn der Kunde reicht seinen geöffneten Behälter per Tablett über die Frischetheke und erhält ihn befüllt auf diesem Wege zurück, verschliesst ihn selbst wieder und klebt auch das entsprechende Preisetikett selbst auf.
Kunststoff-Recycling forcieren
Die Recyclingfähigkeit von Verpackungen ist ebenfalls eine entscheidende Voraussetzung für einen nachhaltigen Wertstoffkreislauf und wird einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung im Verpackungssektor haben. Monomaterialien bieten hier aus Sicht des Wasch- und Reinigungsmittelspezialisten Werner & Mertz entscheidende Vorteile. Das Unternehmen setzt sie bereits ein – als Standbeutel für Frosch Flüssigwaschmittel komplett inklusive Kappe und Gewinde aus einem Material, das zu 100 Prozent recycelt werden und rund 70 Prozent Plastik im Vergleich zu einer Flasche mit gleichem Füllvolumen einsparen kann, so der Hersteller.
Nachwachsende Rohstoffe für Verpackungen
Das negative Image von Kunststoffen in der Öffentlichkeit und der Wunsch nach Vermeidung von Kunststoffeintrag in die Umwelt sorgt nicht nur seitens des UBA für einen verstärkten Druck auf die Hersteller, die hier noch unterentwickelte Recyclingquote zu erhöhen (2018: 47,1 %) und bis 2022 auf 63 Prozent zu bringen.Alternativ dazu können Papiersubstitute ein Teil der Lösung sein: Der Spirituosenkonzern Diageo hat beispielsweise für seine Scotch-Marke Johnnie Walker eine Papierflasche entwickeln lassen, die im kommenden Jahr an den Start geht.
Zusätzlich sorgen in letzter Zeit auch nachwachsende Rohstoffe wie Grasfasern zur Produktion von Kartonverpackungen für Aufmerksamkeit in der Branche. Laut FFI Fachverband Faltschachtel-Industrie handelt es sich dabei um Kartons auf Basis von Altpapier oder Frischfasern, denen aus Stabilitätsgründen in gewissem Umfang Grasfasern beigemischt werden können. Ein Hersteller von Bio-Grillkäse setzt bereits darauf und gibt an, damit im Vergleich zum Holzfaserkarton 250 kg CO2 und 3000 Liter Wasser pro Tonne Grasfaserkarton einzusparen.