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Die steigende Nachfrage nach vegetarischen Fleisch- und Wurstprodukten repräsentiert eine neue Lebenseinstellung. Wie der Handel das Potenzial nutzen kann.
Deutschland wird zunehmend „fleischfrei“. Weniger Fleisch zu essen ist ein Trend, der sich immer stärker im Markt abzeichnet und heute längst kein Nischendasein mehr fristet. Allerdings nimmt der Hunger auf Fleisch und Wurst nicht ab, doch womit er gestillt wird, ändert sich in jüngster Zeit enorm. Dies stellt die Albert Schweizer Stiftung fest. Mit der zunehmenden Zahl der Verbraucher, die sich für eine vegane, vegetarische oder flexible Ernährungsweise entschließen, kommt auch die Kategorie der Fleischersatzprodukte ins Rollen. Bereits heute kauft laut einer Studie von Mintel, Agentur für Market Intelligence, fast jeder fünfte Verbraucher zwischen 16 und 24 Jahren Fleischersatzprodukte, in der Altersklasse von 35 bis 44 ist es jeder Achte. Getragen wird der Veggie-Boom vor allem von den jüngeren Verbrauchern unter vierzig Jahren. Aktuell liegt ihr Anteil laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bei 34 Prozent. Doch während die jüngere Klientel aus ethischen und Umweltschutzgründen zu Veggie greift, stehen bei den älteren Verbrauchern beim Kauf von Tofuschnitzel und Seitanwürstchen Gesundheitsaspekte im Vordergrund. Dort ist das Interesse an vegetarischen Produkten weiterhin konstant groß. Interessanter Fakt: 38 Prozent der Verbraucher zwischen 45 und 54 Jahren verzehren laut der Mintel-Studie Fleischalternativen, um damit ihren Fleischkonsum zu reduzieren. Dabei ist für sie die Senkung von Fett und Cholesterin die größte Motivation. Gepusht wird die Kategorie daher vor allem auch durch eine Nachfrage nach einer gesünderen und vielfältigeren Ernährung.
Variation im Speiseplan
Die neue Lebenseinstellung spiegelt sich auch in den Marktzahlen wider. In den vergangenen fünf Jahren ist der Umsatz mit Fleischersatzprodukten und pflanzlichen Brotaufstrichen auf 213 Millionen Euro angewachsen. Das ist eine Verdoppelung des Umsatzvolumens. Im ersten Quartal dieses Jahres verbuchte die Kategorie ein Umsatzplus von 27 Prozent. Das ist auch auf die zunehmende Zahl der Flexitarier zurückzuführen. Der Wachstumsschub für Veggie-Produkte indessen hinterlässt seine Spuren. So ist laut GfK die Nachfrage nach Wurstprodukten um acht Prozent, die Nachfrage nach Fleisch um neun Prozent zurückgegangen.
Die vermehrte Nachfrage nach vegetarischen Produkten bietet indessen Herstellern von herkömmlichen Wurstwaren ein attraktives Potenzial. Die Verbraucher, die neben den vegetarischen auch ab und zu tierische Produkte verzehren wollen, sind daher auf der Suche nach hochwertigen Wurst- und Fleischspezialitäten. Das bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich mit Premium-Angeboten zu positionieren und dem Wunsch der Verbraucher nach solchen Produkten gezielt entgegenzukommen. Davon sind die Experten überzeugt. Dem stimmt auch die GfK zu. „Wenn die Veggie-Käufer Wurst und Fleisch kaufen, dann gaben sie dafür sechs beziehungsweise 17 Prozent mehr Geld dafür aus.“
Dennoch: Veggie ist kein Widerspruch zur Wurst, sondern eine Alternative. Das stellt die Rügenwalder Mühle fest. „Je leckerer und gleichwertiger die Alternative ist, umso höher ist die Akzeptanz und die Wiederkaufrate“, sagt Lothar Bentlage, Geschäftsleitung Vertrieb bei Rügenwalder Mühle. Zudem ist der Markenartikler davon überzeugt, dass in naher Zukunft die fleischhaltigen Artikel nicht komplett durch Veggie ersetzt werden. Veggie sei eine alternative Angebots- und Ernährungsform. Diese Sicht bestätigt auch Friesland Campina Cheese. Das Unternehmen ist mit ihrer Marke Valess ein Player auf dem Veggie-Markt. „Veggie-Produkte stehen aus unserer Sicht in keiner Konkurrenz mit anderen Produkten. Vielmehr geht es den Konsumenten heute um Variation im Speiseplan“, heißt es bei Friesland Campina Cheese.
Dynamische Entwicklung
Generell erwarten die Experten eine dynamische Entwicklung der Veggie-Kategorie. Friesland Campina Cheese erwartet sogar, dass sich die Kategorie bis 2020 mehr als verdoppeln wird, was auf eine steigende Zahl an Verbrauchern zurückzuführen sei, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchte. Rügenwalder Mühle geht davon aus, dass vegetarische Produkte bezogen auf den gesamten SB-Wurstmarkt dieses Jahr zwei bis drei Prozent Marktanteil erreichen werden. Die gute Entwicklung lässt die Prognose zu, dass vegetarische Alternativen in wenigen Jahren die heutigen Marktanteile der Geflügelwurst erreichen können“, sagt Bentlage.
Die steigende Nachfrage nach vegetarischen Produkten ist längst kein Trend mehr, sondern repräsentiert eine neue Lebenseinstellung vieler Konsumenten. Darin sind sich die Experten einig. Umso mehr ist jetzt der Handel gefordert, diesem Verbraucherbedürfnis am Point of Sale gerecht zu werden – mit einem vielfältigen Sortiment, impulsstarken Platzierungen sowie den dafür benötigten attraktiven Flächen.