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Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gilt es, sich einen Namen als guter Arbeitgeber zu machen – Stichwort «Employer Branding». Ein Interview mit Thorsten Fuchs, Direktor der Lebensmittelfachschule Neuwied, zum Image der Lebensmittelbranche
Herr Fuchs, wie stellt sich das Image des LEH als Arbeitgeber dar?
Der Lebensmittelhandel kämpft meines Erachtens immer noch unberechtigterweise mit einem negativen Image, auch wenn es sich mittlerweile schon herumgesprochen hat, dass die verlängerten Arbeitszeiten eher zu arbeitnehmerfreundlicheren Arbeitszeitmodellen geführt haben. Tatsache ist aber leider auch, dass trotz unzähliger Kochshows der Umgang mit Fleisch, Fisch oder Käse wenig «sexy» ist. Bei Hochschulabsolventen ist der Handel durchaus interessant, jedenfalls für die finanziell interessanten Stellen im Verkaufsleitungsbereich.
Was kann der LEH tun, um sein Image zu optimieren beziehungsweise sich eine Marke als guter Arbeitgeber aufzubauen?
Die Betriebe des LEH müssen für die jeweilige Zielgruppe passgenaue Angebote anbieten. Der Schulabgänger mit einer Hochschulzugangsberechtigung oder der Studienabbrecher erwarten Aus- und Fortbildungsangebote, die Karrierewege eröffnen. Für Benachteiligte oder auch Migranten bieten einige Handelsbetriebe schon interessante Kooperationsmodelle an, zum Beispiel mit Mehrgenerationenhäusern. Hierbei gelingt die Ausbildung, weil ein ganzheitliches Konzept sowohl Sprach- als auch Alltagsprobleme angeht. Davon abgesehen können selbstverständlich intelligente Personaleinsatzmodelle auch eine Teilzeitausbildung beziehungsweise familiengerechte Arbeitsplätze ermöglichen.
Wie hilft die Lebensmittelfachschule Neuwied bei der Akquise von Fachkräften und dem Aufbau eines guten Images?
Als Einrichtung der Branche bieten wir den Unternehmen etwa diverse Qualifizierungsangebote für Fachkräfte, zum Beispiel für den Fachberater Ernährung oder den Diplom Käse-Sommelier an. Darüber hinaus leiten wir Studien-Exkursionen und Vorbereitungsseminare für Sachkundeprüfungen und sehr praxisorientierte duale Studiengänge. Letztere schliessen mit beruflichen Fortbildungsabschlüssen, etwa dem Handelsfachwirt oder Handelsbetriebswirt, ab. Diese Fortbildungsabschlüsse sind gemäss dem Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) der Stufe 6 zugeordnet, also dem «Bachelor-Niveau», allerdings viel praxisorientierter als ein Hochschulstudium.
Erfolgreich Fachkräfte gewinnen
«Für den Einzelhandel wird die Suche nach geeigneten Auszubildenden immer schwieriger.» Das ist nicht nur die Bilanz des Handelsverbands Deutschland (HDE), sondern auch eine Beobachtung, die etwa Globus macht: «Derzeit gelingt es uns gut, offene Stellen zeitnah zu besetzen», teilt das Unternehmen mit. Allerdings bemerkt Karina Demminger, Bereichsleiterin für Mitarbeiter und Kulturentwicklung bei Globus, dass «sich auch bei uns ein Fachkräftemangel gerade in den traditionellen Handwerksberufen, wie zum Beispiel in unserer Meisterbäckerei oder Fachmetzgerei abzeichnet.»
Einen Grund für Demmingers Beobachtungen sieht der HDE darin, dass Politik und Schulen den Wert einer Ausbildung nicht deutlich genug machten. «Wir brauchen mehr Wertschätzung in unserer Gesellschaft für Ausbildungsberufe und die guten Entwicklungschancen, die die duale Berufsausbildung bietet», so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Mit Authentizität überzeugen
Doch auch der Handel selbst ist gefragt. Es gilt, sich einen Namen als guter Ausbilder und Arbeitgeber zu machen, in dieser Hinsicht eine Marke aufzubauen – Stichwort «Employer Branding». Denn, darauf weist Prof. Dr. Jutta Rump hin, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen: «Gute Mitarbeiter, gute Verkäufer etwa, werden nicht nur vom LEH gesucht, sondern vom Handel generell und in allen anderen Branchen auch.» Vor dem Hintergrund der sinkenden Zahl an Auszubildenden und Fachkräften stellt dies ein Problem dar: «Fast jeder zehnte Ausbildungsbetrieb hat noch nicht einmal eine einzige Bewerbung erhalten», teilte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks jüngst mit. Ferner hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) für das zweite Quartal 2017 einen Höchststand nicht besetzter Arbeitsplätze bundesweit ermittelt.
Damit Employer Branding im zunehmenden Ringen um Fachkräfte also gelingt, rät Rump, sich als Unternehmen eine Identität zuzulegen, danach zu leben und genau zu kommunizieren, was im Unternehmen möglich ist und was nicht. «Authentizität gehört zu einer guten Arbeitgebermarke dazu», so die Expertin. «Man muss sich nicht bei allen beliebt machen, aber man muss sich schon die Mühe machen, zu überlegen, was man für Ansprüche hat und was man den Mitarbeitern bieten möchte und was nicht.» Dies gelte es dann, nach aussen zu transportieren.
Vorteile des LEH herausstellen
Generell auf das Image der gesamten Branche bezogen rät Rump, die Vorteile des LEH herauszustellen, sie «sexy» vermarkten – etwa die Tatsache, dass das Thema «Lebensmittel» durchaus attraktiv, weil lebensnah sei. Auch, dass etwa der Beruf des Verkäufers viele Kontakte zu Menschen zulasse, dass sich die zu verkaufenden Produkte anfassen liessen, greifbar seien, nicht so komplex zu erklären wie etwa Maschinenteile, sei ein Plus im LEH. Ein passender Slogan müsse gefunden werden, den das Unternehmen «als Philosophie übernehmen, in eine Unternehmenskultur übersetzen muss.» In der Lebensmittelbranche könne das so etwas sein wie: «Das ist Leben!». Es gelte, die Wertschätzung gegenüber dem Kunden, der Ware aber auch dem Mitarbeiter zu pflegen. «Wenn es einem Unternehmen gelingt, ein gutes Klima zu schaffen, kommen die Kunden und Mitarbeiter ganz von allein», sagt Rump.
Ein solches Klima ist vor allem auch der gerade heranwachsenden Generation Z wichtig, die laut Rump viel Wert auf ein kollegiales, fast schon familiäres Arbeitsumfeld legt. Und auch die Generation Y muss sich wohlfühlen, denn sind die Vertreter dieser Generation nicht zufrieden, ziehen sie Rump zufolge schnell weiter. «Für sie ist die Zuversicht typisch, dass sich auch etwas Besseres finden wird», erklärt die Professorin. Für junge Mitarbeiter spiele es vor allem eine grosse Rolle, Freude an der Arbeit zu haben, ergänzt Dr. Steffi Burkhart, Autorin und Expertin in Sachen Generation Y. «Früher konnte man die Mitarbeiter mit extrinsischen Antreibern wie Boni beeinflussen. Uns ist das jedoch nicht so wichtig.»
Die Generationen Y und Z verstehen
Und da Vertreter der Generation Z jenen der Generation Y laut Rump sehr ähnlich sind, gilt dies auch für die Jahrgänge dieser Generation. «Arbeit ist heutzutage weniger das traditionelle Arbeiten müssen, sondern vielmehr das Arbeiten wollen und Arbeiten können», führt Burkhart aus. Die neuen Statussymbole seien softe Werte wie eine gute Arbeitsatmosphäre, funktionierende Teamarbeit, flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte sowie auch Möglichkeiten zur Weiterbildung. Die Kunst bestehe darin, «auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen.»
Das Drogeriemarktunternehmen dm scheint dies alles richtig zu machen: «Der Zuspruch zu unserem Angebot an Ausbildungsplätzen und Stellenausschreibungen ist sehr gross», teilt das MARKANT Mitglied mit und betont: «Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt unseres unternehmerischen Handelns.» Deswegen wolle man für alle Kollegen die Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie sich weiterentwickeln können. «Das beginnt bei unserem einzigartigen Ausbildungskonzept, das viel Freiraum bietet, um persönliche Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Offenheit und Kreativität zu wecken», sagt Christian Harms, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor bei dm. Neben zahlreichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten spiele auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine grosse Rolle. Lösungsansätze hierbei seien etwa «flexible Arbeitszeitmodelle und Telearbeit.»
Permanent in alle Mitarbeiter investieren
Auch Globus stellt sich auf die Zukunft ein und lockt Arbeitnehmer etwa mit einer Vielzahl an Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten, beispielsweise durch ein BA-Studium oder ein Traineeprogramm. Auch lege man zum Beispiel Wert auf «individuelle Förderung und Gestaltungsfreiräume», teilt Karina Demminger mit.
Ob nun aber Generation Y oder Z; ob die Arbeitnehmer bereits eingestellt sind, oder es noch gilt, sie anzuwerben; ob es sich um Auszubildende handelt oder um Personal mit Universitätsabschluss – Rump betont: «Ein Unternehmen muss fortlaufend in seine Mitarbeiter investieren, damit sie motiviert bleiben und für das Unternehmen brennen. Denn die Mitarbeiter sind ein wichtiger Erfolgsfaktor.»