Foto: Fotolia (weerapat)
Nachhaltigkeit ist wichtig, zahlt aber nicht auf den Gewinn ein? Stimmt nicht, sagt eine aktuelle Studie: Danach können Marken mit nachhaltigem Handeln ihren Wert steigern und messbar höhere Umsätze generieren.
Der verantwortungsvolle Umgang mit Mensch, Umwelt und Ressourcen, kurz: Nachhaltigkeit, kann die Reputation von Unternehmen erhöhen und damit direkt als Umsatztreiber wirken. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Kommunikationsagentur Serviceplan Corporate Reputation in Zusammenarbeit mit der Managementberatung Biesalski & Company. Um die tatsächliche Umsatzrelevanz von Nachhaltigkeit zu ermitteln, haben die Autoren das Kaufverhalten von Konsumenten der wahrgenommenen Nachhaltigkeit des Unternehmens gegenübergestellt und einen so genannten Sustainability Value Score für mehr als hundert Unternehmen verschiedener Branchen ermittelt. Dieser Messwert soll ausdrücken, welcher Anteil des Umsatzes tatsächlich durch das Nachhaltigkeitsimage generiert wird. Im Ranking der Studie ganz vorne liegt Hipp: Der Babynahrungshersteller generiert gut 13 Prozent des Umsatzes durch seinen guten Ruf in puncto Nachhaltigkeit. Auch Frosta, Alete und Iglo schaffen mehr als zehn Prozent. Unter den Top 10 befinden sich aber auch Non-Food-Hersteller: So generiert etwa der Haushaltsgerätespezialist Miele 9,8 Prozent des Umsatzes durch sein Nachhaltigkeitsimage, dicht gefolgt vom Autobauer BMW mit 9,2 Prozent. Im Lebensmitteleinzelhandel erreicht Edeka mit gut fünf Prozent den höchsten Anteil.
Die Ergebnisse zeigen, dass Nachhaltigkeitsimages bei vielen Marken maßgeblich zum Umsatz beitragen. Zum Teil sind sie sogar Benchmark einer ganzen Branche geworden. Etwa bei Erfrischungsgetränken, Stichwort: Bionade. „Die ökologische Herstellung hat hier nicht nur den Durchbruch für einzelne Unternehmen gebracht, sondern den ganzen Markt dauerhaft verändert“, erklärt Dimitar Zvezdov, Akademischer Rat am Lehrstuhl für Corporate Sustainability Management an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Trotzdem sei das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft, sagt Joachim Schöpfer, geschäftsführender Partner von Serviceplan Corporate Reputation. Für die meisten Marken sei Nachhaltigkeit zwar ein zentrales Thema. Doch nicht im Vertrieb oder Marketing, weshalb sich Nachhaltigkeitskommunikation auch meist nicht an Kunden richte. Ein Fehler, denn Nachhaltigkeit kann zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden: „In gesättigten Märkten mit vielen ähnlichen Produkten zu vergleichbarem Preis ist Nachhaltigkeit immer häufiger kaufentscheidend“, sagt Schöpfer. Oft werde sie auch zum neuen Premium-Faktor: „Wer sich über sein Kaufverhalten von der Masse absetzen will, greift heute zu nachhaltigen Angeboten.“
Dafür müssen Kunden das Nachhaltigkeitsengagement einer Marke allerdings bewusst wahrnehmen. Das gelingt etwa durch eine zielgerichtete Kommunikation, die einen für die Marke – und seine Zielgruppe – wichtigen Nachhaltigkeitsaspekt aufgreift und glaubwürdig darstellt. Besonders wichtig: Die Kunden mitnehmen. „Unternehmen sollten ihren Kunden einen Schritt vorausgehen, aber nicht davon eilen“, erklärt Werbe-Profi Joachim Schöpfer. Nachhaltigkeitskommunikation stelle oft eine Haltung in den Vordergrund und sei „vom Ton etwas leiser als herkömmliche Werbung“. Sie wirke aber durch die mögliche Nutzung verschiedenster Kanäle und Multiplikatoren – Stichwort: Content Marketing – sehr effizient.
Für die Steuerung dieser Aktivitäten sollten Unternehmen unbedingt den Umsatzbeitrag ihres Nachhaltigkeitsimages messen. Hierfür gibt es unterschiedliche Instrumente: von der multivariaten Analyse wie beim Sustainability Value Score, über Trendbeobachtungen und Umfragen bis hin zu Auswertungen der Umsatzzahlen. Die gute Nachricht: „Ein wesentliches Ergebnis unserer Studie ist, dass der durch Nachhaltigkeit erzeugte Umsatz immer additiv ist“, sagt Joachim Schöpfer. Positiv wahrgenommene Nachhaltigkeit gehe also nie auf Kosten anderer Umsatztreiber, sondern addiere immer etwas dazu. „Das macht sie als differenzierenden Faktor besonders interessant.“
Allerdings kann der Umsatz-Effekt je nach Marke oder Branche unterschiedlich hoch sein. „Man kann ein gutes Nachhaltigkeitsimage haben, das aber trotzdem nicht als Kaufargument wirkt“, sagt Schöpfer. Zum Beispiel weil die Nachhaltigkeitsleistung nicht direkt mit dem Produkt verbunden wird oder sich in der Branche schon viele Wettbewerber über Nachhaltigkeit differenzieren. Auch werden manche Produkte ohnehin schon als nachhaltig empfunden, wie der Markt für Bier zeigt: „Im Gegensatz zu Erfrischungsgetränken stellt explizite Nachhaltigkeit bei Bier einen geringeren, jedoch messbaren, Mehrwert dar. Denn Bier weist ohnehin einige positive nachhaltigkeitsrelevante Merkmale auf“, erklärt Dimitar Zvezdov. „Selbst das bestätigt aber die Relevanz des Themas für den Umsatz.“
Was viele Unternehmen jedoch noch vermissen: Den Durchbruch nachhaltiger Produkte auf breiter Front. Das wiederum lässt vermuten, dass viele Konsumenten Nachhaltigkeit zwar gut finden, trotzdem jedoch nicht bereit sind, für entsprechende Produkte einen höheren Preis zu bezahlen. „Kein Mensch konsumiert allein aus Nachhaltigkeit“, erklärt Joachim Schöpfer das Phänomen. „Hier gilt natürlich auch, dass erst der Preis und faktische Produktvorteile zählen, und erst dann das gute Gewissen.“ Trotzdem sei das Thema aber als Differenzierungsfaktor hoch relevant, vor allem auch, weil Marken generell die Aufgabe zukomme, Orientierung zu geben. „Nachhaltiger Konsum ist nicht das Endziel, sondern ein Weg, den Unternehmen und Kunden gemeinsam gehen.“ Die für den Unternehmenserfolg entscheidende Herausforderung sei, beim Aufbau eines positiven Nachhaltigkeitsimages möglichst viele bestehende Kunden mitzunehmen und neue hinzuzugewinnen. „Wer diese Strategie verfolgt wird auch im Sinne der Nachhaltigkeit einen positiven Saldo haben“, so Schöpfer.