Foto: Roman Walczyna
Über Identitätsmanagement, Personalisierung und die Hinfälligkeit des Standardeinkaufs – Trendforscher Sven Gábor Jánszky gibt einen Ausblick auf die Zukunft des POS von morgen.
Was sind die kommenden Food Trends?
Es gibt zwei Hauptbereiche, in denen die Trends stattfinden – der Bereich des Identitätsmanagements und der Massenbereich. Im letzteren waren bisher Trends wie Convenience-Food und auch Fast Food zu finden. In Zukunft geht es hier aber um Nahrungsmittel, die sich individuell und situativ in den Tagesablauf einpassen lassen. Sprich um Produkte, die auf das eigene Geschmacksprofil und die Gesundheitsdaten abgestimmt sind. Im Bereich des Identitätsmanagements dient Essen in erster Linie dazu, eine Geisteshaltung und damit eine Zugehörigkeit zu einer Community auszudrücken.
«Essen dient dazu, eine Geisteshaltung auszudrücken.»
Heute isst man nicht nur, weil man Hunger hat. Man isst, um den Körper zu optimieren. Wird sich dieser Trend weiter verstärken?
Absolut. Allein, weil die Technologie vorliegt und die Datenanalyse immer besser wird. Der Standardbereich «Ich esse, weil ich satt werden muss» wird eines Tages wegfallen. Stattdessen wird sich das Identitätsmanagement weiter verstärken. Also der Trend, dass man Nahrungsmittel bewusst dazu benutzt, um anderen zu zeigen, dass man zu einer besonderen Identität gehört.
Welches Potenzial hat in dem Kontext personalisierte Ernährung für den LEH?
Aus Sicht der Zukunftsforschung hat dies ein grosses Disruptionspotenzial für den Handel. Kunden werden erkennen, dass personalisierte Nahrung sie körperlich und geistig leistungsfähiger oder auch schöner macht. In Zukunft werden die Verbraucher nicht nur satt, das Essen hat darüber hinaus einen Zusatznutzen. Das wird immer wichtiger für die Kunden und für die gesamte Wertschöpfungskette, was ein starkes Umdenken bedeutet.
Können Sie das konkretisieren?
Die Lebensmittel werden nicht mehr im Standardpack verkauft, sondern es werden vielmehr Rohstoffe verkauft. In Zukunft werden Verbraucher über eine Mikrowelle, die zugleich auch ein 3-D-Drucker ist, ihre personalisierte Nahrung zubereiten. Hierfür braucht es Rohmaterialien, welche dann in Kartuschen angeboten werden. Die Wertschöpfungskette wird sich auf den Verkauf dieser Rohmaterialien umstellen und weniger gebrandete Fertigprodukte ins Regal packen.
Wie kann der LEH das Thema personalisierte Nahrung am Point of Sale spielen?
Er kann Geräte bereitstellen, in denen Nahrungsmittel individualisiert werden können. Zudem kann er an den Rohmaterialien Geld verdienen. Voraussetzung ist, dass der LEH einen kostenlosen Lieferservice bietet. Denn die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass die Kartuschen im Supermarkt verkauft werden. Dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, Geld zu verdienen. Lebensmittel kann ich nur personalisieren, wenn mir die dazu relevanten Daten des Verbrauchers vorliegen wie beispielsweise das Geschmacksprofil. Es braucht also den Datensatz des Geschmacksprofils. Auch für den LEH ergeben sich hier Chancen.
Was ist mit dem Datenschutz?
Wenn der Nutzen höher ist als das Risiko, dann gibt die Mehrheit der Verbraucher ihre Daten frei. Hierzu braucht es die Zustimmung der Verbraucher und auch die Analyse des Geschmacksprofils. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen mit Produkten auf den Markt kommen werden, die genau dies leisten können. Wenn der Nutzen erkennbar ist, wird das genutzt.
Wird gesunde Ernährung damit mehr und mehr zu einer Frage des Geldes?
Naja, zu einer Frage der Daten auf jeden Fall. Derjenige, der mehr Daten freigibt, der kann sich gesünder ernähren.
Was bedeutet dies für Industrie und Handel?
In diesem System wird derjenige gewinnen, der am besten prognostizieren kann, wann der Verbraucher welches Produkt benötigt. Die Frage, die sich hierbei stellt, lautet: Welche Sorte Margarine möchte der Verbraucher und wer kann sie ihm liefern? Hier haben die Hersteller ein strategisches Interesse, diese Daten zu besitzen und selbst einen Lieferdienst zu installieren. Das führt natürlich beim Handel zu der Frage, welche Bedeutung hat er dann noch? Das gilt vor allem für den Massenbereich.
«Zukunft entsteht nicht zufällig. Zukunft wird gemacht.»
Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?
Der Supermarkt wird zum Platz des Identitätsmanagements, der sich auf eine oder zwei Zielgruppen wie etwa die Kultur-Interessierten oder die Sport-Interessierten spezialisiert hat. Dort wird es auch ein Restaurant oder Aktivitäten geben, die genau auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe abzielen. Die Verbraucher gehen dann nicht mehr in den Supermarkt, um einzukaufen, sondern weil sie damit zeigen möchten, zu welcher Identität sie gehören. Das ist der einzige Grund in zehn Jahren, warum Menschen tatsächlich noch an den Point of Sale gehen werden. Der Standardeinkauf findet dann dort nicht mehr statt, diese Produkte liefert der Online-Handel.
Wo liegt hier die grösste Herausforderung?
Der Point of Sale muss zum Identitätsmanager werden, das hat in der Handelsbranche noch kaum jemand verstanden. Sinkende Umsätze und die Konkurrenz durch den Online-Handel werden sie dazu zwingen. Aus meiner Sicht geht da kein Weg dran vorbei.