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Ähnlich wie im Fleischhandel entwickelt sich Tierwohl auch bei Mopro zum wichtigen Kaufkriterium. Seit Januar 2022 gibt es bereits die vierstufige Haltungsform-Kennzeichnung für Milch und Milchprodukte. Die Frage ist, welche Relevanz diese für die Gelbe Linie hat.
Das Bewusstsein für die Herkunft und Herstellungsweise der Lebensmittel hat in den vergangenen Jahren immer stärker zugenommen. «Der Konsument achtet verstärkt auf diese Kriterien beim Einkauf und ist bereit, für diese Produkte mehr Geld auszugeben», sagt Andreas Geisler, Geschäftsführer bei Käserebellen. Dazu resümiert Verena Schley, Marketing Director Ornua Deutschland GmbH: «Das Thema Nachhaltigkeit und Tierwohl ist auch in unseren Kategorien höchst relevant.»
Transparente Kennzeichnung
Viele Verbraucher möchten beim Einkauf tierischer Lebensmittel zu besseren Tierhaltungsbedingungen beitragen. So sind für 58 Prozent der Befragten die Einhaltung hoher Tierschutzstandards bei der Lebensmittelproduktion «sehr wichtig» und für 37 Prozent der Shopper «eher wichtig», dies ergab eine Studie vom Bundesverband Verbraucherzentrale zusammen mit forsa. Daneben wünschen sie sich laut Beobachtung von Ornua auch eine Kennzeichnung, die Aufschluss darüber gibt, wie hoch das Tierwohl-Niveau bei der Haltung der Milchkühe ist, deren Erzeugnisse sie einkaufen. Seit Januar 2022 gibt es bereits die vierstufige Haltungsform-Kennzeichnung für Milch und Milchprodukte, allerdings nicht für Käse. Dazu bemerkt Schley: «Wir sprechen uns klar für eine transparente Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten aus, hierzu gehört selbstverständlich auch Käse.»
Geringe Relevanz
Etwa 50 Prozent der deutschen Milch gelangt laut dem Milchindustrie-Verband e. V. in den Käsemarkt. «Wer also durchgreifend Veränderung will, muss auch bei Käse die haltungsform.de
anwenden», erklärt dazu Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer beim Milchindustrie-Verband e. V. Es ist allerdings noch unklar, ob und wann eine ähnliche Regelung für Käse kommen wird. Fakt ist: Das Interesse der industriellen Weiterverarbeiter von Käse an haltungsform.de ist laut dem Milchindustrie-Verband e. V. noch gering. Ähnlich sieht es Bergader: «Nach unserer Einschätzung ist die Relevanz für die Verbraucher aktuell sehr gering. Geschmack, Konsistenz und Verwendungsmöglichkeiten des Käses stehen deutlich mehr im Fokus der Verbraucher», sagt Bergader-Geschäftsführer Felix Kress. Vor allem bei Lebensmitteln mit verschiedenen tierischen Produkten, zum Beispiel Pizza mit Käse und Schinken, würde es schwierig werden, hier eine einheitliche Kennzeichnung für den Verbraucher zu finden. Zudem bemerkt Kress: «Die derzeitigen Systeme sind nicht wirklich einheitlich und das Management der Betriebe wird im staatlichen System gar nicht berücksichtigt.» Auch wenn viele Unternehmen sehr engagiert seien und viel in den Bereichen Tierwohl und Nachhaltigkeit (CO2, Verpackung, Klimaschutz etc.) umsetzen würden, lasse sich nicht jede Massnahme in ein Label oder Siegel packen. Die Relevanz hat aus Sicht von Bergader auch zuletzt aus Preisgründen – zumindest temporär – wieder deutlich nachgelassen.
Anpassung der Mindeststandards
Einer Einführung der Haltungsprofile stehen auch die Käserebellen kritisch gegenüber. «Wenn Produkte nach Ampelfarben gekennzeichnet werden, ist das wenig hilfreich, wie soll zum Beispiel die Pizza bewertet werden, wenn der Käse von glücklichen Kühen kommt und der Schinken oder die Salami von der Tierwohlstufe 1? Muss das dann nach prozentualem Anteil gewertet werden?», so Geschäftsführer Andreas Geisler. Am Ende sorge diese Debatte beim Kunden für mehr Verwirrung als für ein sinnvolles Kaufkriterium. «Aus unserer Sicht ist nicht die Kennzeichnung im Handel hierfür die Lösung, vielmehr müssen die Mindestanforderungen an die Haltung der Tiere angepasst und von behördlicher Seite überwacht werden.» Die Kennzeichnung im Handel allein werde das Tierwohl nur sehr langsam verbessern können. Wenn darüber hinaus Betriebe für das Tierwohl mehr leisten würden als es laut der Behörden notwendig sei, wird dies der kritische Konsument durch seinen Kauf auch weiterhin honorieren.
Bio-Qualität
Bio besetzt in der Haltungsform 4 eine eigene Klasse. Dort sind alle Bio-Standards zugeordnet. Dies umfasst den EU-Biostandard sowie alle Bio-Anbauverbände. Zu den Ökopionieren zählt die Andechser Molkerei Scheitz, die bereits in den 1980er-Jahren damit begonnen hat, Bio-Milch zu verarbeiten. Diese bezieht das Unternehmen von Bio-Milchbauern, die die strengen Kontrollen ihres Öko-Anbauverbandes wie Bioland, Demeter, Naturland oder Biokreis erfüllen. Diese gehen über die gesetzlichen Vorgaben von EU-Bio hinaus. Und das macht sich bezahlt. «Die Nachfrage nach Bio-Käse steigt leicht, das zeigen verschiedene Auswertungen auf wie der BÖLW Branchenreport 2023. Auch für das Andechser Natur Bio-Käsesortiment in Scheiben lässt sich dieses Wachstum feststellen», sagt Marketingleiterin Irmgard Strobl. Bei tierischen Produkten wie Bio-Milch und so auch bei Bio-Käse würden die Themen Nachhaltigkeit und Tierwohl eben eine relevante Rolle spielen. «Als Hersteller haben wir die Aufgabe, den Verbrauchern zu ermöglichen, eine bewusste Entscheidung treffen zu können. Das erreichen wir vor allem über Transparenz. Wir legen offen, was unsere Zulieferbetriebe leisten, was sie für den Arten- und Klimaschutz tun», resümiert Strobl.
Ethische Werte
Immer mehr Verbraucher hinterfragen neben ihrem eigenen Konsumverhalten auch die ethischen Werte der Marken, die sie kaufen – so eine Beobachtung von Mintel. «Längst zählen nicht mehr nur die Produkteigenschaften, sondern auch die ethischen Werte wie etwa soziale oder ökologische Verantwortung, die durch eine bestimmte Marke transportiert werden.» Angesichts sich häufender Greenwashing-Fälle würde es für Verbraucher in Zukunft immer wichtiger werden, genau nachvollziehen zu können, was sie kaufen und welche Auswirkungen mit ihrem Kauf verbunden sind. Der klassische Ansatz, ethische Produkte zu zertifizieren und Kunden damit Orientierung zu bieten, kann laut Mintel ein Erfolgsfaktor sein. Dabei erwecken nach Einschätzung der Marktforscher bekannte und bewährte Siegel wie «Bio» das grösste Vertrauen. Die Zertifizierung von Produkten wird nach Beobachtung von Mintel jedoch immer häufiger mit digitalen Alternativen kombiniert oder von ihnen abgelöst. Die Blockchain-Technologie ermögliche dem Kunden sofortige Einsicht in Produktinformationen und Lieferketten und schaffe zusätzliche Transparenz. Die Bedingung: Der Zugriff darauf müsse einfach und unkompliziert möglich sein, zum Beispiel per QR-Code und/oder App. Über diese digitalen Technologien, die dabei helfen, die Erzeugung transparent zu machen, berichten wir ab Seite 26. Auch hier zählt die Andechser Molkerei Scheitz zu den Vorreitern. Das Unternehmen hat den Herstellungsweg 2008 transparent gemacht, indem sie eine verbraucherfreundliche Rückverfolgung des Produktes im Internet bis hin zu den Milchbauern ermöglichte.