Gemeinsam auf dem Weg

Freitag, 26. April 2019
Fotos: T. Schindel, S. Brückner

Industrie und Handel sind per Gesetz dazu angehalten, beim Thema Verpackung umzudenken und zu handeln. Einblicke dazu gab im April der 3. Verpackungskongress der MARKANT in Frankfurt.

Gesetz und Gesellschaft behandeln das Thema Verpackung mit Priorität. Für die MARKANT ein Anlass, im April beim 3. Verpackungskongress in Frankfurt acht Experten das Wort zu geben. Vor rund 400 Fach- und Führungskräften aus Industrie und Handel wurde erörtert: Wie kann er aussehen, der Weg zu einer nachhaltigen Verpackung? Was ist der Stand der Dinge?

Eine erste Bilanz zu den Anläufen des Verpackungsgesetzes, das seit 1. Januar in Deutschland in Kraft ist, zog Martin Kardetzky von der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR). Nach rund 100 000 Vorregistrierungen im Vorjahr kommen Hersteller auch seit Jahresbeginn ihrer Verpflichtung zur öffentlich einsehbaren Registrierung nach. Dennoch gelte es, ihnen bei Eintragungen oder Änderungen im Verpackungsregister ihre Eigenverantwortlichkeit zu verdeutlichen, da beispielsweise eine Marken- oder Namensänderung nicht von der ZSVR durchgeführt werden kann. Auch Falschregistrierungen müsse vorgebeugt werden. Aufgrund dieser Erfahrungen – und der Tatsache, dass der zahlenmässige Bestand an Registrierungen noch längst nicht abgeschlossen ist – bedürfe es weiterhin der Aufklärung und Kommunikation, so Kardetzky. Hilfestellungen bieten dabei die detailliert ausgearbeitete Website der ZSVR oder der Katalog für systembeteiligungspflichtige Verpackungen, mit dem Verpackungen entsprechend zugeordnet werden können.

Dialog am Runden Tisch

Verpackungen vermeiden, Verpackungen umweltfreundlich und somit recycelbar gestalten sowie den Einsatz von Rezyklaten erhöhen – das sind wesentliche Ziele des «5-Punkte-Plans für weniger Plastik und mehr Recycling», den das Bundesministerium für Umwelt (BMU) entwickelt hat. Ziele, die mit den Vorgaben des Verpackungsgesetzes korrespondieren, erläuterte Dr. Matthias Klein vom BMU. Zusätzlich bringt der BMU mit der Kampagne «Nein zur Wegwerfgesellschaft» Vertreter aus Industrie und Handel an den Runden Tisch. Gemeinsam werde hier geklärt, wie beispielsweise überflüssige Kunststoffverpackungen im Einzelhandel, etwa an Obst- und Gemüsetheke, vermieden werden können. Eines der Themen, so Klein, das auch Verbraucher zunehmend beschäftigt. Gleichzeitig stellte Klein die Diskrepanz zwischen öffentlicher Sensibilisierung für das Thema Verpackung und dem hohem Verpackungsverbrauch in Deutschland dar: Mit über 100 Kilo im privaten Verbrauch stehe Deutschland mit an der europäischen Spitze. Ausserdem habe sich die Sammelqualität, Basis optimalen Recyclings, in deutschen Haushalt verschlechtert. Damit bedürfe es einer Dialogbereitschaft und Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der Wertstoffkette, um die Ziele zu erreichen. 

Mit dem Verpackungsgesetz und dem politischen Programm des BMU wurden Voraussetzungen geschaffen, europäische Gesetzesvorgaben und Richtlinien auf nationaler Ebene umsetzen zu können. Welcher Art das europäische Engagement bezüglich Kunststoffe aussieht, stellte Emmanuelle Maire von der Europäischen Kommission dar. Die «Europäische Strategie für Kunststoffe» hat sich unter anderem vorgenommen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Recyclingqualität zu verbessern. Hierzu wird mit Interessensvertretern entlang der gesamten Wertstoffkette an Innovationen und Investitionen an kreislauforientierten Lösungen gearbeitet - die Reduzierung von Kunststoffabfällen hat dabei oberste Priorität. Zusätzlich unterstützt die Strategie Konzepte auf globaler Ebene. Maire führte weiter aus, wie speziell der Einsatz gegen Vermüllung Erfolge zeige: Das Europäische Parlament hat aktuell unterschiedliche Massnahmen für den jeweiligen Umgang mit den zehn häufigsten Wegwerf-Kunststoffen gebilligt, die an europäischen Stränden gefunden werden – dazu zählen Plastikbesteck, Wattestäbchen und Take-away-Verpackungen.    

Mit Aufklärung zur Effizienz

Dr. Thomas Fischer, Head of Market Intelligence & Covernmental Affairs der Landbell AG für Rückholsysteme, blieb auf europäischer Ebene und umriss Aspekte des EU Abfallpakets - konkret die Revisionen zu den EU Abfall- und Verpackungsrahmenrichtlinien 2018. Für Deutschland gilt, dass einige der gestellten EU-Anforderungen, wie die erweiterte Herstellerverantwortung, bei der sich Hersteller stärker an den Entsorgungskosten zu beteiligen haben, bereits mit den Vorgaben des Verpackungsgesetzes korrespondieren. Bei den formulierten Recycling-Zielen der EU für beispielsweise Kunststoffe (55% bis 2030) oder Glas (75% bis 2030) hat Deutschland die Quoten bereits 2019 übertroffen (58,5% bzw. 80%).

Aus den EU-Richtlinien für Elektro- und Elektronikgeräte (Weee Open Scope) und Batterien ergeben sich für Hersteller keine direkten Änderungen, erläuterte der Experte. Allerdings bestehe vor allem beim Thema Batterien für Hersteller und Verbraucher Informations- und Aufklärungsbedarf, um Sammelquoten zu erreichen und die Recyclingeffizienz zu erhöhen.   

Verpackung als Werbung

Wie kann er nun aussehen, der Weg zu einer nachhaltigen Verpackung? Peter Désilets, Geschäftsführer der Pacoon GmbH, einer Agentur für Packungsdesign und Nachhaltigkeit, beginnt mit seinem Team den Prozess unter anderem mittels einer Lifecycle-Analyse oder einer Packungs-CO²-Analyse, anhand derer ein Unternehmen seinen Status Quo definieren kann. Daraus ergibt sich das weitere Vorgehen, um ein Verpackungskonzept hinsichtlich Transports, Logistik und Lebensdauer zu optimieren. Désilets beschrieb weiter, welche Überlegungen für ein Unternehmen grundlegend sein sollten – von der Prüfung, ob und wieviel Verpackung überhaupt notwendig ist, über Design und Wahl des Verpackungsmaterials bis hin zu seiner Recycelfähigkeit. Für Désilets zählt die Verpackung zu den wichtigsten Kommunikations- und Werbemitteln, die ein Unternehmen nutzen kann – und vor allem nutzen sollte, um das Umwelt-Image des Unternehmens zu transportieren. Schliesslich: Nur sichtbare Neuheiten nimmt der Konsument wahr, so Désilets.

Mit welchen Problemen Unternehmen zu kämpfen haben, ein Verpackungskonzept zu realisieren, machte Thomas Reissig deutlich, Geschäftsführer der Verdesoft GmbH. Seiner Erfahrung nach sind die Prozessabläufe innerhalb der Unternehmen häufig zu komplex und langwierig, um ein Konzept in einer den Bedürfnissen angepassten Zeit auf den Markt zu bringen. Ein Unternehmen könne selbst Einfluss auf die Agilität der Verpackungsentwicklung nehmen, indem es beispielsweise die mitarbeitende Team-Grösse optimiere, um Kommunikationswege gering zu halten, führte Reissig aus. Genauso sei es hilfreich, Ergebnisse in allen Stadien der Entwicklung permanent zu überprüfen, um den aktuellen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Reissig stellte das Vorgehen von Verdesoft vor, das dank der Fusion einer Verpackungsdesign-Agentur mit einem Ingenieurbüro für Verpackungstechnik für zügige Entscheidungen, kurze Arbeitsphasen mit ständigen Erfolgskontrollen steht. Ergänzend erleichtern Musterproduktionen in Kleinserien, die umgehend zu Marktforschungszwecken eingesetzt werden können, die Durchführung eines Verpackungskonzeptes.

Wie Verpackungslösungen von morgen durch partnerschaftliche Kooperationen gestaltet werden können, präsentierte Rüdiger Nölleke, Regional Sales Director der Stora Enso GmbH Germany. Dabei verfolgt das Unternehmen die Vision, Materialien auf fossiler Basis durch erneuerbare zu ersetzen, das heisst primär auf der Basis von Holz. Im Lebensmittelbereich stehen Produktdesigns im Vordergrund, die den Kernzweck haben, das Produkt zu schützen. In enger Zusammenarbeit mit Forschungs- und Entwicklungszentren, zahlreichen Unternehmen und Start-ups entstehen so kunststoffersetzende Lösungen - beispielsweise für Fertiggerichte, Getränke, Kaffee, Eis oder Nudeln, aber auch für kosmetische Produkte. Nur durch eine enge Partnerschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit Markeninhabern, Kunden und Start-ups kann die Beschleunigung des Wandels hin zu nachhaltigen Verpackungslösungen gelingen, schloss Nölleke.

Ökobilanz versus Quoten

Den Beitrag der Umweltbewertung zur Verpackungsdiskussion steuerte Benedikt Kauertz bei, Bereichsleiter des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu). Kauertz stellte die Bewertungselemente für eine Ökobilanz dar und wies anhand des Beispiels der Mehrweg- und Einweg-Getränkeverpackungen auf die Vielschichtigkeit der Thematik hin. Für Mehrweg-Gebinde wurde bereits vor Jahrzehnten gegenüber den konkurrierenden Einweggebinden ihre umweltseitige Überlegenheit festgehalten. Derzeit entsprechen Mehrweg-Gebinde der vorgegebenen Abfallhierarchie in den Punkten Verpackung vermeiden bzw. nachhaltig und recycelbar gestalten. Dennoch stelle sich die Frage, ob diese Einstufung sachgerecht ist. Kauertz Resümee: Der gesetzliche Mehrwegschutz reflektiere nicht mehr die neusten Ökobilanzergebnisse. Sinnvoll sei es, anstelle einer Mehrweg-Quote von künftig 70 Prozent, eine Zielquote für eine «optimierte Getränkeverpackung» zu definieren, bei der es sich um eine «gute Mehrweg- als auch um eine optimierte Einweg-Lösung» handeln könne.

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Statements

Dr. Matthias Klein, Referat WR II 5: Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen, Wertstoffrückgewinnung Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)
«Es besteht nun eine Pflicht der dualen Systeme, die Verbraucher zukünftig besser über den Sinn und Zweck der Getrenntsammlung zu informieren. Denn hier werden ja bereits die Weichen gestellt, ob wir die Verpackungen am Ende recyceln können oder nicht. Die Sammelqualität hat sich in letzter Zeit leider verschlechtert. Hier müssen wir ansetzen, um möglichst reine und hochwertige Rezyklate zurückzubekommen.»

 

Martin Kardetzky, Generalbevollmächtigter ­Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR)
«Die Registrierung im Verpackungsregister LUCID dokumentiert die wahrgenommene Produktverantwortung. Erfreulicherweise konnte durch das Verpackungsgesetz und die Inbetriebnahme des öffentlichen Registers bereits eine Verdreifachung der Hersteller, die ihrer Verantwortung nachkommen, erreicht werden. Wir arbeiten weiter mit den verschiedensten Instrumenten und Massnahmen daran, die Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Pflichten zu unterstützen.»a

 

Emmanuelle Maire, Leiterin des Referats Nachhaltige Produktion, Produkte und Konsum Generaldirektion Umwelt Europäische Kommission
«Unsere Strategie für Kunststoffe wird die Umwelt vor der Belastung durch Kunststoffe schützen und gleichzeitig Wachstum und Innovationen fördern. Wir wollen auch einen Wandel in der ganzen Welt
bewirken. Dafür erledigt die EU ihre eigenen Aufgaben. Wir arbeiten mit internationalen Nachbarn auf der ganzen Welt zusammen, um globale Richtlinien zu entwickeln.»a

 

Dr. Thomas Fischer, Head of Market Intelligence & Governmental Affairs Landbell AG
«Auch die Aufklärung von Verbrauchern ist uns wichtig – für eine richtige Trennung und Entsorgung von Verpackungsabfall, Altbatterien und Altelektrogeräten, in Deutschland und Europa! Vieles landet zu oft in der falschen Tonne, wodurch die Herstellersysteme Schwierigkeiten in Sammlung und Recycling bekommen. Die Rolle der Verbraucher ist wichtig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Somit findet Verbraucherkommunikation eine wachsende Beachtung bei Gesetzgebern und damit den Weg in nationale und EU-Vorschriften.»a

 

Peter Désilets, Geschäftsführer Pacoon GmbH
«Nachhaltiges Verpackungsdesign muss auf vielen Ebenen stattfinden. Der richtige Konzeptmix kann beim Konsumenten die gewünschte Assoziation hervorrufen. Das nachhaltigere Material mit falscher Haptik, Farbe oder Veredelung erschwert jedoch diese Assoziation und verringert damit auch die Kaufargumente. Wählen Sie ein auffällig anderes Packmittel, sollten Sie die Vorteile prägnant ausloben, sonst gehen sie unter.»a

 

Thomas Reissig, Geschäftsführer Verdesoft GmbH

«Viele Prozesse in einem Unternehmen machen die Entwicklung für eine Verpackung langsam. Innerhalb eines Jahres kann sich so vieles ändern. Schliesslich ist das, was am Ende entstanden ist, häufig nicht mehr das, was man eigentlich wollte und wohin sich der Markt entwickelt hat. Wir sind der Meinung, dass eine Verpackungsentwicklung sehr viel schneller gehen muss.»a

 

Rüdiger Nölleke, Regional Sales Director, Stora Enso Germany GmbH
«Ein Kunde von uns hat einen Ballonhalter aus Karton gestaltet. Das unterstützen wir, obwohl wir im Segment Brauner Kraftkarton im Augenblick lange Lieferzeiten haben. Aber solche Entwicklungen gehören gefördert. Diesen Weg werden wir weitergehen, und ich möchte Sie gerne einladen, dies mit uns zu tun. Denn wir können nicht alles alleine, aber Vieles gemeinsam bewegen.»a

 

Benedikt Kauertz, Fachbereichsleiter ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH
«In den 90er, aber auch noch in den 2000er Jahren zeigten Mehrweggebinde eine sehr gute Ökobilanz. Doch ist diese Einstufung heute auch noch Stand der Technik? Wir möchten die gesetzlichen Vorgaben in die Richtung «optimierte Getränkeverpackungen» weiterentwickeln. Das kann eine gute Mehrweg- oder eine optimierte Einweg-Getränkeverpackung sein, die entsprechende, wissenschaftliche Parameter erfüllt.»