Schweizer Ernährungsstudie

Freitag, 05. Juni 2015
Foto: www.johannmayr.de

Viele Schweizer können ihre Ernährungsideale nicht mit ihrem tatsächlichen Essverhalten in Einklang bringen. Sie sind zunehmend unzufrieden mit ihrer Ernährung – aber auch mit dem Lebensmittelangebot.

Die Ernährung wird für die Verbraucher in der Schweiz zu einer zunehmend komplizierten Angelegenheit. Zeitdruck, gesellschaftliches Idealbild und Genuss: Ernährungswunsch und Ernährungswirklichkeit klaffen laut aktueller Studie „Food Consumption – Ess- und Verzehrverhalten in der Schweiz“ der Universität St. Gallen immer weiter auseinander. Einerseits wollen sich die Befragten bewusst, nachhaltig und gesund ernähren – so wie es die Medien als gesellschaftliches Idealbild stets propagieren. Andererseits bringt der Alltag für viele Konsumenten äußere Zwänge mit sich, die das Erreichen dieses Idealbildes erschweren. Durch die gestiegene Mobilität und Flexibilität – beruflich wie privat – bleibt immer weniger Zeit für die Zubereitung und den Verzehr. Insbesondere das Frühstück ist von dieser Entwicklung betroffen. Zugleich wünschen sich die meisten Verbraucher eine unbeschwerte, genussvolle Ernährung. Diese Widersprüche zu überwinden, fällt immer schwerer und führt zu einer steigenden Frustration  – und zu einer wachsenden Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Ernährungsverhalten.

Schweizer unzufrieden mit der eigenen Ernährung

Dies hat auch Auswirkungen auf die Beurteilung des Lebensmittelangebots, das die Konsumenten nämlich deutlich kritischer bewerten als noch vor einigen Jahren. „Eine Flut an Gütesiegeln, diverse Skandale und unterschiedliche Standards einer gesunden und/oder nachhaltigen Ernährung erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit dem Lebensmittelangebot“, so heißt es in der Studie, doch möchte man sich andererseits „um seine Ernährung keine Gedanken machen müssen“. Verglichen mit den Vorjahren sank die Zufriedenheit in vielen Kategorien. Dies gilt vor allem für das Angebot an fettreduzierten Nahrungsmitteln und Nahrungsmitteln mit gesundheitlichem Zusatznutzen. Gleichzeitig ernähren sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr Personen konsequent nach einer speziellen Ernährungsweise/Diät. So bezeichnen sich nach neuesten Ergebnissen 8,6 Prozent (2008:  6,7%) als Vegetarier, über neun Prozent ernähren sich kohlenhydratarm (2014 erstmals erhoben), 8,4 Prozent (2008:6,7%) cholesterinarm. Nur noch gut ein Drittel aller Befragten folgt überhaupt keiner besonderen Ernährungsweise.

Verzehrsituation bestimmt die Ernährungsbedürfnisse

Die Ernährungsbedürfnisse unterscheiden sich je nach Verzehrsituation, variieren vor allem zwischen den Bedürfnissen unter der Woche und am Wochenende. Während am Wochenende und teilweise auch beim Abendessen unter der Woche Genuss und persönliches Wohlbefinden besonders wichtig sind, soll es in der Woche beispielsweise im Restaurant, in der Mensa und im Supermarkt an der heißen Theke meist schnell und preiswert zugehen. Allerdings gewinnen Aspekte wie Gesundheit und Genuss auch „to go“ beziehungsweise für die Snacks zwischendurch an Bedeutung. Der Rat von Freunden und Verwandten, die Produktverpackung und (Koch-)Bücher sind weiterhin die drei Top-Informationsquellen zum Thema Ernährung. Doch zeigen sich 2014 hier deutliche Unterschiede zwischen den Altersklassen. Während sich jüngere Verbraucher (31-40 Jahre) zunehmend über neue Medien wie Blogs, Apps und Websites informieren, spielt mit wachsendem Alter neben Büchern und Fachzeitschriften das Verkaufspersonal im Laden eine wichtige Rolle.

News

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Interview

Prof. Dr. Thomas Rudolph erklärt, wie der Lebensmittelhandel die Schweizer Verbraucher unterstützen kann, ihr Ernährungsverhalten zu optimieren.

Ihre Landsleute haben aufgrund des hektischen Lebensstils zunehmend Mühe, sich an ihre eigenen Ernährungsziele zu halten. Wie kann der Lebensmittelhandel dazu beitragen, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden?
Wenn es dem Lebensmittelhandel gelingt, die Bedürfnisse seiner Kunden genau zu analysieren und mit passgenauen Angeboten die Frustration abzubauen, winken große Umsatzpotenziale. Es reicht dabei allerdings nicht nur, das Sortiment in Richtung schmackhafter Convenience-Produkte auszubauen. Bestell- und Lieferservice sowie eine angenehme Verzehratmosphäre für den Sofortgenuss spielen ebenso eine wichtige Rolle. Standardrezepte gibt es hierfür nicht.

Immer mehr Verbraucher entscheiden sich für ganz spezielle Ernährungsformen und Diäten. Ist das auch ein Ausweg aus dem Dilemma: Vereinfachung und Entlastung durch bewussten Verzicht?
In unserer Studie stellen wir eine Zunahme diätetischer Ernährungsweisen fest. Stark im Trend ist derzeit eine kohlehydratarme oder fettreduzierte Ernährung. Diäten sollen das Wohlbefinden verbessern und basieren auf einer Unzufriedenheit. Daher ist die Zunahme durchaus ein Indikator für die Unzufriedenheit – und das Halten der Diät ein Mittel zur Entlastung.

Welche Kriterien sind für die Schweizer nach wie vor am wichtigsten beim Lebensmitteleinkauf?
Es zählen letztendlich immer noch der gute Geschmack, die Frische der Lebensmittel und ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Die Bedeutung anderer Mehrwert-Kriterien nimmt zu. So sind gesundheitliche Aspekte wie zum Beispiel Allergien für über 50 Prozent der Befragten besonders wichtig. Unsere Studie zeigt aber auch, dass Regionalität, Natürlichkeit und fairer Handel für die Mehrheit der Konsumenten eine große Rolle bei der Kaufentscheidung spielen. Stark an Bedeutung hat in den vergangenen beiden Jahren zudem das Kriterium „Swissness“ gewonnen.

Welche Rolle spielen in diesem „Wertekanon“ regionale Produkte?
72 Prozent empfinden die Regionalität als wichtig. Wir haben Konsumenten gebeten, regionale und internationale Produkte zu bewerten. Dabei wurden regionale Produkte in fast allen Kategorien besser beurteilt als die internationale Konkurrenz. Das gilt insbesondere für die beiden wichtigsten Kriterien „guter Geschmack“ und „Frische“. Einzig beim Preis wurden internationale Produkte besser bewertet.

 

INFO

Die Universität St. Gallen hat in der Studie „Food Consumption 2014 – Ess- und Verzehrverhalten in der Schweiz“ die neuesten Forschungsergebnisse im Rahmen einer empirischen Langzeitstudie über das Ernährungsverhalten der Schweizer veröffentlicht. Dafür wurde vom Forschungszentrum für Handelsmanagement unter der Leitung von Professor Dr. Thomas Rudolph nach 2003, 2005 und 2008 zum vierten Mal der Status Quo des Ess- und Verzehrverhaltens in der Schweizer Bevölkerung erhoben. Die Befragung fand an zwölf Standorten in der Deutsch- und Westschweiz im November/Dezember 2013 unter mehr als 1.000 Konsumenten statt. Die Stichprobe folgt der Altersverteilung der drei Vorgängerstudien, berücksichtigt aber gleichzeitig stärker die vom statistischen Bundesamt publizierte Altersstruktur. Die Studie richtet sich an Industrie und Handel im Schweizer Foodmarkt sowie im Gesundheitsmarkt tätige Institutionen und Unternehmen.