IT-Strategien: Investitionen in die Zukunft

Mittwoch, 07. Oktober 2015

Technologische Neuerungen verändern Vertriebsstrukturen und ganze Geschäftsmodelle im Handel. Umso wichtiger wird es, die richtigen Investitionsschwerpunkte zu setzen. Orientierung liefert nun der "Technologie-Atlas Einzelhandel".

Near-Field-Communication, Mobile Payment, Self-Checkout-Systeme, Digital Signage und elektronische Preisanzeigen, aber auch komplexe Lösungen für Big-Data-Analysen oder den Omnichannel-Vertrieb gewinnen in praktisch allen Handelsbranchen zunehmend an Bedeutung. Wer im Handel technologisch „up to date“ sein will, verliert aufgrund der rasanten Entwicklungen allerdings leicht den Überblick. Digitalisierung und Vernetzung, smarte Endgeräte, der zunehmend digitale und mobile Endverbraucher – all das hat erhebliche Folgen für die Strategien, Geschäftsmodelle und Prozessketten der Handelsunternehmen. All das erfordert obendrein eine neue Einstellung und Flexibilität bei den Mitarbeitern.

Technologische Transformation

Die IT-Abteilungen verlieren ihre Alleinstellung als Technologie-Experten, denn die technologische Transformation erfasst nahezu alle Funktionsbereiche und verlangt deren Mitarbeiter technisches Know-how ab. So können Marketingexperten ohne ein Grundverständnis von Big-Data-Analysis ebenso wenig erfolgreich sein wie Vertriebs-Profis, und Verkäufer müssen unterschiedliche POS-Technologien beherrschen, um ihren Kunden ein nahtloses Einkaufserlebnis im Omni-Channel-Commerce zu garantieren. Das sind Kernaussagen des von der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit GS1 Germany, EHI und BITKOM erstellten "Technologie-Atlas Einzelhandel" mit umfangreichen Studien- und Umfrageergebnissen.

Bei den für die nächsten zwei Jahre geplanten Investitionen stehen Omni-Channel-Projekte ganz oben auf der Liste. Hier gibt es aktuell und in unmittelbarer Zukunft in nahezu allen Unternehmen bedeutende IT-Projekte. Aber auch die Erneuerung und Optimierung der Warenwirtschaft wird weiter voran getrieben. Ebenso spielen Projekte für „Supply Chain Management (SCM)“, „Customer  Relationship Management (CRM)“, „Erneuerung von Kassensoft- und -hardware“ sowie „Mobile Devices für Mitarbeiter“ eine entscheidende Rolle in den kommenden beiden Jahren.

Trend zu Standards

31 Prozent der Unternehmen haben heute noch eigenentwickelte Warenwirtschaftslösungen im Einsatz. Dieser Anteil wird sich künftig voraussichtlich auf 23 Prozent zu Gunsten von Standardlösungen reduzieren. Bei den übrigen IT-Systemen betreiben 34 Prozent der Firmen noch mindestens eine Kernapplikation in Eigenentwicklung; auch hier ist mit einem Trend in Richtung Standards zu rechnen. 33 Prozent der Händler schnell drehender Konsumgüter (FMCG) nutzen bereits Self-Checkout- oder Self-Scanning-Anwendungen, und bei weiteren 13 Prozent ist ein Einsatz geplant. Damit zeichnet sich eine langsame, aber stetige Marktdurchdringung ab, auch wenn die meisten Projekte heute noch Einzelinstallationen sind.

Elektronische Regaletiketten (ESL) sind bei 13 Prozent der Händler von FMCG im Einsatz. Konkrete Projektplanungen gibt es bei zehn Prozent, und bei 37 Prozent der Firmen steht die ESL-Technologie unter ständiger Beobachtung. Auch diese Technik scheint also weitere Verbreitung zu finden. Der hohe technische Entwicklungsstand und ein rapider Preisverfall haben die elektronische Preisauszeichnung zu  einem Trendthema gemacht. Für Kunden sind elektronische Etiketten gut lesbar, und bei Sortimenten mit häufigen Preisänderungen ergeben sich durch den Wegfall manueller Arbeiten wirtschaftliche Vorteile.

Beacons, RFID und Co

Die Beacon-Technologie wird von den IT-Verantwortlichen zwar als interessant angesehen, allerdings sind nur wenige konkrete Anwendungen im Einsatz (15 %) oder geplant (11 %). Beacons sind Signale (wörtlich Leuchtfeuer), die regelmäßig von kleinen Sendern im Shop bis zu einem Radius von 70 Metern übermittelt werden. Die Signale können von allen Mobiltelefonen mit Betriebssystemen ab iOS 7 und Android 4.3 empfangen werden. Daraus ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten der gezielten Kontaktaufnahme - etwa mit Nachrichten zur Begrüßung oder Hinweisen auf besondere Angebote. Es gibt bislang kaum Erfahrungswerte aus der Praxis, und die kommenden Jahre müssen zeigen, ob sich die Beacons im Handel durchsetzen werden.

RFID spielt derzeit im Lebensmittelhandel allenfalls bei den logistischen Prozessen im Hintergrund eine Rolle. Dagegen steigt die Bedeutung von Cloud Computing im Handel deutlich an. Für 14 Prozent der Teilnehmer sind Cloud-Services bereits jetzt ein wichtiger Bestandteil der IT-Strategie, weitere 34 Prozent gehen von einer stark steigenden Bedeutung in den kommenden Jahren  aus. Bei kritischen Prozessen sind die Unternehmen generell weiter zurückhaltend, bei Anwendungen wie E-Learning sind Cloud-Lösungen dagegen heute quasi Standard. Größter Vorteil ist die Skalierbarkeit des Angebots: Je nach Bedarf und Nutzungsgrad kann der Umfang der Dienste dynamisch angepasst werden. Andererseits stellt die Sicherheit der firmeneigenen Daten ein Hauptrisiko von Cloud Computing dar. Zum einen kann kein Anbieter den Verlust von Daten zu 100 Prozent ausschließen. Zum anderen drohen Hackerangriffe. Seit der NSA-Affäre wächst auch die Angst der Unternehmen vor gezielter Spionage.

Bei den Mobile-Lösungen sehen Händler das größte Zukunftspotenzial beim kontaktlosen  Bezahlen. Dabei wird die bisher bekannte physische Karte mit einer Funktechnik - NFC oder Bluetooth Low Energy (BLE) - ausgestattet und erlaubt die Bezahlung ohne Kontakt mit dem Terminal. Eine interessante Alternative ist das mobile Zahlen per Smartphone. 43 Prozent aller befragten Händler sind der Meinung, dass 2016 eine flächendeckende Bereitstellung von NFC-fähigen Kassenterminals in ihren Filialen realisiert sein wird. Gleichzeitig geben die Mobilfunknetzbetreiber an, dass 75 Prozent der ausgelieferten Smartphones NFC-fähig sind. Somit ist eine beidseitige NFC-fähige Bezahlumgebung ab 2016 weitgehend gewährleistet.

Hürden für IT-Innovationen

Als größte Hürden bei der Implementierung von IT-Innovationen nennen die IT-Verantwortlichen nicht ausreichende Budgets (35 %), Engpässe bei Personal und knappe Zeitressourcen (25 %) sowie Schwierigkeiten bei der Selektion und Priorisierung von Innovationen (20 %). Die Autoren der Studie weisen hinsichtlich der IT-Fachkräfte auf eine besondere Problematik hin: Als Folge der im deutschen Handel vergleichsweise niedrigen Renditen werde in anderen Branchen wie der Automobil- oder Pharmaindustrie meistens besser bezahlt. "Verbunden mit einem generellen Mangel an  qualifizierten Fachkräften in der IT gibt es daher bei vielen Unternehmen erhebliche Probleme bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern", sagt Ulrich Spaan vom EHI Retail Institute. Immerhin sind die IT-Budgets der deutschen Händler zuletzt angestiegen - auf durchschnittlich 1,24 Prozent vom Nettoumsatz.

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Der "Technologie-Atlas"

Wer im Handel technologisch „up to date“ sein will, verliert aufgrund der rasanten Entwicklungen leicht den Überblick. Hier will der von KPMG in Zusammenarbeit mit GS1 Germany, EHI und BITKOM erarbeitete "Technologie-Atlas Einzelhandel" Abhilfe schaffen. Der Technologie-Atlas Einzelhandel unterstützt vor allem diejenigen mit Hintergrundwissen, in deren Arbeitswelt durch die zunehmende Digitalisierung ein Grundwissen unterschiedlicher technologischer Anwendungen nötig geworden ist. Er liefert eine Orientierungshilfe bei Prüfung, Auswahl und Einsatz neuer Handelstechnologien. Das kostenlose 88-seitige Werk steht auch zum Download bereit unter www.kpmg.de/technologie-atlas.

 

Wettbewerbsvorteile

Effizienzsteigerung ist auch heute noch ein guter und wichtiger Grund für den Einsatz von Technologien. Dies gilt insbesondere in Märkten mit großem Preisdruck und geringen Margen. Gleichwohl hat in den letzten Jahren neben dem Kostenaspekt ein zweiter Faktor an Bedeutung gewonnen: Die Nutzung von Technologien in Unternehmen ist heute nicht nur aus operativen, sondern auch aus strategischen Gründen geboten. Im Zuge dieser Entwicklung werden Technologien für den Kunden zunehmend sichtbar und erlebbar.