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Die Blockchain-Technologie steht noch am Anfang, könnte jedoch schon bald unternehmerische Prozesse optimieren und neue Geschäftsmodelle kreieren. Ein Überblick über Stand und Potenzial der Technik.
In den USA wollen Unternehmen wie Walmart, Nestlé, Unilever und andere in einem gemeinsamen Projekt herausfinden, wie per Blockchain-Technologie die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln effektiver organisiert und schneller umgesetzt werden kann. In Deutschland haben sich, unter der Leitung der GS1 Germany, Unternehmen wie dm-Drogeriemarkt, Beiersdorf und Lekkerland zusammengefunden, um den Nutzen von Blockchain im Paletten-Tauschprozess zu testen. Auch die MARKANT ist in diesem Arbeitskreis vertreten (mehr dazu in Teil 2 der Serie).
Dezentrale Datenbanken
„Der Bedarf des Marktes an Erkenntnissen zum Thema Blockchain ist groß“, sagt Regina Haas-Hamannt, Projektleiterin bei GS1 Germany. Ebenso groß allerdings ist die Ungewissheit, ob und wie schnell die Technologie speziell im Handel und in der Konsumgüter-Industrie in konkrete Anwendungen überführt werden kann. „Wir prognostizieren, dass sich die Blockchain recht schnell etabliert“, erklärt Wolfgang Prinz, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT (siehe Interview). Sein Institut arbeitet ebenfalls am GS1-Projekt mit. Andere Beteiligte äußern sich vorsichtiger. „Ob Rückverfolgung oder Palettentausch: Eine auf der Blockchain-Technologie basierende Anwendung gilt es zunächst einmal zu entwickeln, und dabei stellen sich sehr viele technische, organisatorische und auch rechtliche Fragen“, bremst Regina Haas-Hamannt von GS1 Germany.
Was aber genau ist, wie funktioniert Blockchain? Block ist der Datensatz, Chain ist die Kette, Blockchain somit eine Datenkette und damit letztlich eine Datenbank. Im Gegensatz zu den bisher üblichen zentralen Speicherstrukturen ist die Blockchain jedoch dezentral angelegt. Denn die Datenblöcke werden in einem weltweiten Netzwerk von Rechnern parallel und in Form zahlloser Kopien gehalten – der erste wesentliche Vorteil der Blockchain. Denn bei technischen Ausfällen bleiben immer noch Kopien erhalten. Zentrale Systeme dagegen können Datenverluste durch technische Ausfälle nicht 100prozentig ausschließen.
Sicher gegen Eingriffe
Zweites relevantes Attribut der Blockchain ist deren Manipulationssicherheit. Ein Lieferauftrag zum Beispiel könnte von einem Handelsunternehmen erzeugt und digital signiert, an das Netzwerk gesendet und an die beteiligten Knoten verteilt werden. Die Knoten des Netzwerks überprüfen dann die Gültigkeit der Bestellung und fügen diese als Block in die Kette ein. Dabei spielt die Reihenfolge der Blöcke eine große Rolle, denn jeder Block enthält eine Art Prüfsumme, sogenannte Hashwerte, vom vorherigen Block. Um einen neuen Block aufnehmen zu können, muss dieser entsprechend verifiziert werden. Diese Art der Kodierung sichert die Blockchain gegen Manipulationen ab. Außerdem bietet das Netzwerk keinen einzelnen Punkt, an dem es angegriffen werden könnte. Es gibt kein einzelnes Administratorenpasswort, mit dem alle Einträge verändert werden können.
Und der dritte Vorteil: In der Blockchain können alle Teilnehmer jederzeit auf alle gespeicherten Informationen zugreifen. Die Blockchain gehört, je nach Sichtweise, niemandem bzw. allen Teilnehmern. Zentrale Datenbank-Systeme dagegen befinden sich im Besitz eines einzigen Eigentümers, der den Zugriff auf die Daten regeln kann. Beispiel: Alle unbaren Geldüberweisungen zwischen A und B laufen heute über die Anwendungen der Finanzwirtschaft. Die Banken fungieren als zwischengeschaltete Validierungs-, Kontroll-, Abwicklungs- und Speicherinstanz für alle Transaktionen.
Bitcoin ohne Banken
Für fast alle Transaktionen: Denn als erste und bislang einzige umfassende Blockchain-Anwendung hat Satoshi Nakamoto (ein Pseudonym, der wahre Urheber soll ein australischer Computerexperte sein) im Jahr 2008 die Kryptowährung Bitcoin entwickelt. Die Blockchain fungiert dabei quasi als digitales Kassenbuch, in dem alle Bitcoin-Transaktionen verwaltet und fälschungssicher dokumentiert werden. Eine Bank als Zwischeninstanz, die sich ihre Dienste bezahlen lässt, wird dadurch obsolet.
Nicht von ungefähr befürchtet die Bankenbranche, dass diese und andere mögliche Blockchain-Anwendungen langfristig ihr Geschäftsmodell zur Disposition stellen könnten. Dagegen müssen Handel und Konsumgüter-Industrie derart tiefgreifende Eingriffe in ihr Business nicht befürchten. Wohl aber könnte die Blockchain den Anwendungspionieren dieser Branchen dazu verhelfen, Prozesse zu optimieren, Kosten zu sparen und damit Wettbewerbsvorteile zu generieren. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.