Trend Snackification

Dienstag, 05. November 2019
Foto: iStock (nerudol)

Das Ende der klassischen Esskultur ist eingeläutet, glaubt man der Trendforscherin Hanni Rützler. Mehrere kleine Mahlzeiten rücken an deren Stelle. Welche Chancen der neue Trend Snackification dem Handel bietet.

Schnell, flexibel und ortsungebunden: Was unseren Alltag bestimmt, schlägt sich auch im Essverhalten nieder. Statt der klassischen Hauptmahlzeiten «isst man heute, wenn man Zeit, Lust oder Hunger hat, und geniesst – auch allein – immer häufiger eine kleine Mahlzeit zwischendurch». So beschreibt es Ernährungsforscherin Hanni Rützler im aktuellen Food Report. Dieser Trend zu Mini-Mahlzeiten, auch als Snackification bezeichnet, bedeute den Wandel von «einer traditionellen zu einer modernen Esskultur»: Vor allem Frühstück und Mittagessen werden dabei durch mehrere kleine, leichte und möglichst auch gesunde Zwischenmahlzeiten ersetzt. «Unser Essverhalten passt sich dem Alltag an», so Rützler. «Wenn noch gemeinsam gegessen wird, dann ist das eher am Abend.»

Klein, leicht, gesund

Mit klassischen Snacks, also schnell konsumierbarem, aber meist ungesundem Fast Food wie Schokoriegeln oder Hamburgern, haben die neuen Mini-Mahlzeiten wenig gemeinsam. «Getreide wie Quinoa, Hirse oder Reis, rohes oder gekochtes Gemüse, Hülsenfrüchte und Tofu, Nüsse, Kräuter, Pilze und Samen sind im Trend», hat Rützler beobachtet. Fleisch und Fisch verlören dagegen ihre traditionelle zentrale Rolle: In den neuen Mini-Mahlzeiten, etwa den aktuell sehr beliebten Bowls, stehen die Zutaten meist gleichberechtigt nebeneinander und können individuell zusammengestellt werden. Inspirationen liefern dabei Esskulturen, in denen kleine Mahlzeiten eine lange Tradition haben, von japanischen Nudelsuppen (Ramen), Sushi und Bentoboxen, über orientalische Mezze bis hin zu mediterranen Tapas.

Erfolgreich sind die neuen Snacks aber auch, weil sie eng an Werte und aktuelle Verbrauchertrends anknüpfen, etwa gesunden Genuss oder den Wunsch nach regionalen Zutaten und nachhaltiger, transparenter Herstellung. «Essen soll heute nicht nur gut schmecken, sondern auch gut zu denken sein», so Rützler.

Snacks am liebsten aus dem LEH

Für den Handel bietet der Boom der kleinen Mahlzeiten viel Potenzial. Und zwar sowohl in den Regalen, als auch mit Instore-Gastrokonzepten. Nach Angaben des EHI geben Kunden schon heute rund 22 Euro pro Monat für frische, verzehrfertige Speisen in der Handelsgastronomie aus, wobei kalt Belegtes, Döner und Pide, (Curry-)Wurst, Salate und Kuchen am beliebtesten sind. «Im Zuge der Snackification werden Handel und Gastronomie zu Konkurrenten», hat Hanni Rützler beobachtet – auch weil die klassische Gastronomie die Erosion der klassischen Mahlzeiten bislang zu wenig berücksichtige.

Laut einer Studie von Mafowerk ist der LEH sogar die beliebteste Einkaufsstätte für Snacks, vor anderen Geschäften wie Metzgereien, Schnellimbissen oder Tankstellen. Für die Konsumenten dabei wichtig: «Snacks aus dem Supermarkt sollen frisch sein, satt machen, preiswert und schnell zu essen sein», so die Studie. Rund 90 Prozent der Konsumenten fänden zudem eine eigene Snackabteilung interessant, in der Snacks aus den verschiedensten Bereichen angeboten werden, etwa Suppen, Fresh Cut-Angebote wie verzehrfertige Salate oder Obst, Käse- und Wurst-Snacks oder Sandwiches. Neben diesen Klassikern sollte das Angebot aber auch neue Geschmacksimpulse setzen. «Kulinarische Experimente können sich bei Snacks durchaus lohnen», sagt Hanni Rützler: «Denn je kleiner die Portionen, desto neugieriger und wagemutiger lassen sich Verbraucher auf geschmackliche Abenteuer ein.».

 

Interview

Thomas Paulus, Head Category Channel Sales Development bei Nestlé Wagner über den Trend Snacking und die Einführung einer neuer Produktionslinie für TK-Snacks.

Seit Mitte September ist die neue Produktionslinie für Tiefkühl-Snacks der Marke Wagner in Betrieb, Nestlé hat hier 15 Millionen Euro investiert. Reichte die alte Anlage nicht mehr aus, um den Snack-Hunger der Konsumenten zu stillen?
Die Modernisierung der Produktionslinie wurde durch den Erfolg unserer TK-Snack-Konzepte wie Rustipani erforderlich und gibt uns neue Möglichkeiten für weitere wachstumsstarke Produktinnovationen. So können wir das aus unserer Sicht sehr grosse Potenzial im Markt für tiefgekühlte Snacks künftig noch besser ausschöpfen. Zudem wurde die neu installierte Linie nach den aktuellsten Massstäben für Umwelt-, Hygiene-, Produkt- sowie Arbeitssicherheit gebaut, wodurch wir etwa weniger Wasser und Energie verbrauchen.

Ist Snacking neben dem Ausser-Haus-Verzehr nun auch Zuhause angekommen?
Auf jeden Fall. Wir beobachten einen sich verstärkenden Verbraucherwunsch nach so genanntem «Casual Eating» – die Verbraucher essen dann, wenn es Zeit und Umstände erlauben. Die Essgewohnheiten sind unter der Woche immer weniger festgelegt, deshalb wünschen sich viele Konsumenten bequeme, hochwertige und vor allem ursprüngliche sowie authentische Mahlzeiten und Snacks.

Welche Zielgruppe greift besonders häufig zu Tiefkühl-Snacks?
Die moderne und anspruchsvolle Zielgruppe, die zwar am Wochenende gerne kocht, im beruflichen Alltag aber nach convenienten Snacklösungen sucht, will qualitativ hochwertige TK-Snacks. Genau diese Erwartung erfüllen wir mit unseren Snacks wie Rustipani oder mit unseren kleinen Pizzen, den Original Wagner Steinofen Pizzies.

Wo sehen Sie besonderes Potenzial für die Zukunft?
Wir sind Hersteller von tiefgekühlten, belegten Teigsnacks. Das kann ein Snack aus Brotteig sein wie bei Rustipani oder eben auch die kleine Pizza. In beiden Kategorien sehen wir aktuell das grösste Potenzial.

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Info

Tipps der Hersteller zur Sortimentsgestaltung und Vermarktung von Mini-Mahlzeiten und Snacks.

Zutaten und Geschmack:
«Verbraucher wünschen sich heute Gerichte, die sowohl schnell und leicht zuzubereiten sind, als auch lecker schmecken sowie natürlich und gesund sind – und das alles bei einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis», heisst es bei Mars Food. Als Konsequenz verzichtet das Unternehmen auf künstliche Farb-, Geschmacks- und Konservierungsstoffe und hat den Salzgehalt der Produkte durchschnittlich um mehr als 20 Prozent reduziert. Auch Little Lunch setzt auf natürliche Inhaltsstoffe. «Der hohe Gemüseanteil, 100 Prozent Bio und ein natürlicher Geschmack sind bei unseren Produkten sicherlich ausschlaggebend». Zudem sollen die Suppen des Start-ups «satt machen, aber kein Völlegefühl erzeugen». Gefragt seien vor allem Gulaschsuppe, Chili mit und ohne Fleisch, aber auch Thai Curry.

Vermarktung:
«An wirklich guten Produkten für gesundes Snacking mangelt es aktuell noch», hat man bei Oatsome beobachtet. Eine Strategie für den Handel könnten daher Entwicklungskooperationen sein, bei denen Start-ups erfolgsversprechende Konzepte erarbeiten und in enger Absprache mit dem Handel schnell und agil am Markt testen. Oatsome empfiehlt zudem die Etablierung eigener Snack-Regale, «um den Ansprüchen der jungen Bevölkerung Rechnung zu tragen und deren Abwanderung hin zum Online-Shopping entgegen zu wirken». Bei Mars Food setzt man dagegen mit dem sogenannten «Perfect Store Konzept» vor allem auf Verbundplatzierungen mit Rezeptinspirationen. Empfehlenswert seien Mix-Displays, etwa in der Obst- und Gemüseabteilung, in denen neben dem Convenience-Produkt auch Rezeptinspirationen und passende Gemüsesorten angeboten werden. Der Verbraucher müsse so nur kurze Wege zurücklegen, um eine ausgewogene und schnell zuzubereitende Mahlzeit im Einkaufskorb zu haben.

Weniger Plastik:
Ob Tüten, Boxen oder Becher: Im Verhältnis zur Produktgrösse fällt bei Mini-Portionen viel Verpackungsmüll an. Gerade Plastik steht jedoch zunehmend in der Kritik. Müllvermeidung und nachhaltige Verpackungen gehören daher laut Food Report zu den wichtigsten Herausforderungen für Hersteller, Handel und Konsumenten. Gleichzeitig müssen Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit eingehalten werden. Ein Lösungsansatz der Industrie  sind zu 100 Prozent recycelbare Plastikverpackungen. Dazu kommen Verpackungen aus Glas, Papier oder kompostierbaren Materialien, wobei letzteres vor allem von Start-Ups vorangetrieben wird.

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